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Gemalte Biographie: Thomas D


Drei große, quadratische Leinwände stehen nebeneinander. Sie erinnern an ein ausgeklapptes Plattenalbum oder CD Booklet - Medien, die aus heutiger Sicht fast schon so uralt und ehrwürdig sind wie die Pop Art selbst. Es ist ein modernes Triptychon in der Tradition frühneuzeitlicher Altarbilder, das verschiedene Aspekte einer ungewöhnlich kreativen und erfolgreichen Künstlerkarriere würdigt, wobei das Mittelstück und die beiden Flügel jeweils verschiedene inhaltliche Rollen spielen.

Von links nach rechts wandert der Blick von den Anfängen der Fantastischen Vier in Stuttgart über die Berliner Periode bis hin zum Leben der Künstlerkolonie MARS in der Eifel, wobei die Reise freilich nicht streng chronologisch dargestellt ist. Vielmehr mäandriert sie, schweift ab, springt und schließt Kreise. Das Gemälde ist bevölkert von symbolhaften Tiergestalten, Katzen und Hunden, Karpfen, Pferden, und Schwänen, die sich in Menschen oder Sagengestalten verwandeln. Der Hofhund Lou tritt uns als weißer Wolf mit glühenden Augen entgegen, der sich schützend vor das Schwein Erika stellt. Den Hintergrund des

Panoramas bilden Himmel, Landschaften und Gebäude, wie die ikonischen Fernsehtürme Stuttgarts und Berlins. Himmel und Erde, Stadt und Land, Tag und Nacht verschmelzen symbolhaft zur Gesamtschau einer langen, fünf Jahrzehnte dauernden Lebensreise.

Es finden sich nicht nur reale Figuren und Menschen unserer Zeit, wie Parago, die Blue Men Group, oder zum Beispiel Smudo, sondern auch für Thomas relevante, historisch-literarische, wie Faust und Mephisto, der Buddha, die rennende Lola, Häuptling Seattle und Son Goku, die sich um die von Thomas erschaffenen, ebenfalls historisch-poetischen Charaktere ranken; so trägt Nature Tom einen fransigen Strohhut, der auch der Kopfputz eines Häuptlings sein kann, der Krieger sein Schwert und Reflektor Falke, der auch ein Rache- oder Schutzengel sein könnte, spreizt seine Flügel. Die Fantastischen Vier zusammen treten als moderner Mount Rushmore in Erscheinung. Es ist eine epische Darstellung von vier Köpfen, die vereint in der Ferne dennoch in verschiedene Richtungen blicken, zum Beispiel auf Palmen, das Spiel Vier Gewinnt und Schachbretter, die wiederum an Cover von Alben erinnern oder auf prominente gold-geprägte Kreise, die möglicherweise Goldene Schallplatten oder Sonnenaufgänge repräsentieren. Andere Symbole sind das Kennzeichen D, die Ziffer Vier und architektonisch anmutende Strukturen einer Stadt, die es nicht gibt.

Das Gemälde ist “Pop Art” in einem etwas ungewöhnlichen Sinn, da comicartige Überzeichungen sich in naturalistische Perspektiven einfügen; Actionsymbole, Blitze und Strahlenkränze deuten Bewegung an, untermauert von den unterschiedlichsten Farben, die von den Naturtönen der Eifel bis in das grelle Neonlicht der Clubs und Konzerte hinein reichen. Populäre und anonyme Gestalten vereinen sich zu einem dramatischen Reigen, der für ethische Werte genauso steht wie für künstlerische

Schaffensperioden. Familie, Tierschutz, Liebe zur Natur und den Menschen, Sinn für Humor, Selbstironie, Selbstbestimmtheit und Lebensfreude liegen dem Tanz als basso continuo zugrunde.

Überall auf den drei Leinwänden bewegen sich tanzende, singende und feiernde Menschen, die vielleicht Fans, vielleicht Musiker oder die Musen selbst sind - die strömende Melodie vereint sie gleichermaßen, wo auch immer sie sind. Einige der Sänger tragen ein weißes Rechteck auf der Brust, das an ein unbeschriebenes Blatt Papier erinnert, vielleicht als Hinweis, dass viele Lieder noch darauf warten, geschrieben zu werden.

Das Triptychon präsentiert innere und äußere Realitäten, Landschaften der Seele und Landschaften der Welt, die von unendlich scheinenden Verbindungslinien durchzogen werden. Von jeder Figur gehen starke und schwache Linien aus, die sie mit anderen Figuren verbindet. So entsteht ein biographisches Gewebe, der Text eines Lebens über drei getrennte und doch vereinte Leinwände und alle großen und kleinen Landschaften, Szenen und Perspektiven hinweg. Es versinnbildlicht die Verbindung aller mit allem.

Ein weiteres verbindendes Element sind die spiegelverkehrten Buchstaben des Alphabets, die zudem auf dem Kopf stehen. Alle Lieder, alle Texte und Geschichten bestehen aus dem immer gleichen, wiederkehrenden, sich neu arrangierenden ABC, das vom Sänger oder Erzähler stets erneut eingefangen und sortiert wird.

Es fallen die starken Kontraste der Facetten auf, die einmal mit starkem Pinselduktus gefüllt wurden neben anderen, die sacht und fein koloriert sind. Die lackierte Farbe einiger der bunten Facetten ist mit Betonpulver und Kaffeepulver durchmischt, wodurch eine deutlich strukturierte, rauhe Oberfläche entsteht.

Hier verbergen sich im Wortsinn “Körnchen der Wahrheit” im Kunstwerk, die nur von denen erkannt werden können, die wissen, welche Rolle der Kaffee und der Beton in Thomas D’s Leben spielen. Das Gemälde trägt insofern nicht nur in seinem Format und seinen Inhalten Bedeutung, sondern auch im verwendeten Medium.

Besonders wichtig für Thomas D’s Werk erscheint die Bewegung, das Reisen, das Fahren auf Strassen oder offroad und die damit verbundene, konstante Dynamik, die etwa durch eine kindlich anmutende, Strassenszene symbolisiert wird, durch lange Fluchtpunkte und durch den stillgelegten, umgebauten Schulbus, der im Panorama nahezu verschwindet, ähnlich wie das frei schwebende Keyboard oder Klavier im Vordergrund, von dem allein die schwarzen Tasten zu erahnen sind. Desweiteren verstecken sich der MTV Award, ein goldenes Bambi, Höhlen und Musikinstrumente.

Das Gemälde kann vom oberflächlichen Betrachter leicht als unaufdringliches, wenn auch farbenfrohes, nahezu abstraktes Werk an der Wand wahrgenommen werden, als eine bunte Sammlung vielerlei Formen, deren Bedeutung sich nicht unmittelbar erschließt. Der aufmerksame Betrachter andererseits wird es als episch-verästelte konkrete Erzählung begreifen, in der mannigfaltige Gestalten, Botschaften und Geschichten ineinander greifen.

Ähnlich wie ein Lied, das sowohl im Hintergrund oberflächlich gehört als auch regelrecht studiert werden kann, lädt das Gemälde zum Nachdenken über das eigene Leben und zum Staunen über ein Lebenswerk ein.

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